Lynchung 1
Szene 5 Morgenzimmer.
Ein sehr weibliches Zimmer. Jedes Möbelstück ist mit Bedacht gewählt und die Harmonie der Farben lässt einen sicheren Geschmack erkennen. An prominenter Stelle steht ein weißer Sekretär. Auf der Bank vor dem großen Fenster zum Park sind zahlreiche Blumentöpfe mit blühenden und blütenlosen Orchideen aufgereiht, die Mrs. Dan vers pflegt und gießt.
MRS. DANVERS: Orchideen sind ganz besondre Blumen.
Manchmal sehn sie aus, als wären sie tot.
Aber irgendwann, ganz unerwartet, blühn sie wieder weiss und dunkelrot.
Sie starb, sagt man und glaubt daran.
Doch ich weiss es besser. Sie ergibt sich nicht.
Man besiegt sie nicht.
Sie ist stark, der Macht des Todes unterliegt sie nicht.
Nein, man sieht sie nicht! Doch ich spür,
sie ist hier und lebt noch. Sie hört uns. Sie sieht uns. Sie ergibt sich nicht.
Orchideen warn ihre Lieblingsblumen, rätselhaft wie sie
und fremdartig schön. Und auch die verblühten und verdorrten
Hess sie immer hier am Fenster stehn.
Sie starb, sagt man und läge im Grab.
Doch ich weiss es besser. Sie ergibt sich nicht.
Man besiegt sie nicht. Sie ist stark,
der Macht des Todes unterliegt sie nicht.
Nein, man sieht sie nicht! Doch ich spür',
sie ist hier und lebt noch. Sie hört uns. Sie sieht uns.
Sie klagt und spricht mit mir.
Kein Mann dieser Welt war ihr je genug. Sie war stolz und frei,
sie war selbstbewusst und klug.
Kein Mann konnte für sie je wichtig sein.
Diese Art von Liebe gab ihr nichts.
Sie ergibt sich nicht. Man besiegt sie nicht. Sie ist stark,
der Macht des Todes unterliegt sie nicht.
Nein, man sieht sie nicht! Doch ich spür,
sie ist hier und lebt noch. Sie hört uns. Sie sieht uns.
Sie ergibt sich nicht. Man besiegt sie nicht. Sie ergibt sich nicht. Sie ergibt sich nicht.
"Ich " hat das Zimmer betreten. Mrs. Danvers bemerkt sie.
MRS. DANVERS: Kann ich etwas für Sie tun?
ICH: Nein, danke. Mein Mann ist sehr beschäftigt, deshalb schau' ich mich allein ein wenig um, damit ich die Räume einigermaßen kennenlerne.
Mrs. Danvers stellt die Gießkanne ab.
MRS. DANVERS: Das ist das Morgenzimmer. Hier hat Mrs. de Winter nach dem Frühstück ihre Korrespondenz und ihre Telefonate erledigt. Das ist ihr Sekretär. Das Gästebuch. Ihr Briefpapier. Und in der Schublade hier - ihr Telefonbuch, ihre Visitenkarten und ihr Kalender.
ICH (liest): Rebecca de Winter.
MRS. DANVERS: Das ist ihr Amor. Der Gott der Liebe. Mrs. de Winter mochte die kleine Skulptur sehr gern.
ICH: Sie sind wohl schon sehr lange auf Manderley.
MRS. DANVERS: Ich kam mit Mrs. de Winter hierher, als sie heiratete. Ich war immer für sie da. Seit ihrer Kindheit.
ICH: Die Vorbereitung meiner Ankunft hat Ihnen sicher viel Arbeit gemacht.
MRS. DANVERS: Ich habe lediglich Mr. de Winters Anweisungen ausgeführt.
ICH: Ich hoffe, wir werden Freunde und was den Haushalt angeht, so überlasse ich alles Ihnen. Machen Sie alles wie bisher.
MRS. DANVERS: Wie Sie wünschen, Madam. Falls Sie noch etwas brauchen, das ist das Haustelefon. Ich nehme an, Sie wollen jetzt Ihre Briefe schreiben.
ICH: Meine Briefe?
Mrs. Danvers geht zur Tür, doch sie wendet sich noch einmal um.
"Ich" setzt sich an den Sekretär. Sie nimmt den Amor in die Hand, um ihn zu betrachten. Als sie Stimmen im Gang hört, lässt sie die Porzellanfigur fallen.
BEATRICE (hinter der Bühne): Ist mein Bruder nicht da?
ICH: O nein!
Hastig sammelt sie die Scherben auf. Dann sucht sie nach einem Versteck dafür. Man hört Schritte und Stimmen in der Halle.
MRS. DANVERS (hinter der Bühne): Er ist im Büro von Mr. Crawley, Madam.
BEATRICE (hinter der Bühne): Und meine neue Schwägerin?
GlLES (hinter der Bühne): Ja, die woll'n wir sehn!
MRS. DANVERS (hinter der Bühne): Im Morgenzimmer, Madam.
Am Boden kniend hört "Ich" die Schritte der Besucher näher kommen. In panischer Hast verstaut sie die Scherben in der Schublade. Betarice und Giles treten auf. Da "Ich " immer noch hinter dem Sekretär kauert, sehen die beiden sie nicht.
BEATRICE: Hallo ...!?
GILES: Eine Madame aus Frankreich. Oh lala!
BEATRICE: Sie kommt aus Yorkshire, Giles.
GILES: Immerhin hat er sie in Frankreich kennen gelernt. Vermutlich eine mondäne Schönheit.
BEATRICE: Woher willst du das wissen, Giles? "Ich " steht auf Beatrice sieht sie zuerst und versucht, Giles mit einer Geste zum Schweigen zu bringen.
GILES: Ich hoffe nur, sie macht keine nächtlichen Segel touren.
BEATRICE: Still, Giles!
ICH: Hallo.
BEATRICE: Da sind Sie ja... oh, ich meine, du bist... Entschuldigung, dass wir so eindringen. Ich bin Maxims Schwester Beatrice. Und das ist Giles, mein Mann. Herzlich Willkommen auf Manderley. Nenn mich Bee.
ICH: Guten Tag. Maxim sagte mir schon ... ?
GILES: Waren Sie ... ? Ah ... Haben Sie etwa mitgekriegt, was ich...?
BEATRICE: Ach, lassen wir doch die Förmlichkeiten. Wir sind doch jetzt verwandt.
Wenn zwei sich finden, suchen sie nur Zweisamkeit und Harmonie.
Sie traun sich, darum lassen sie sich traun.
ICH: ES gibt nichts, was sie trennen kann.
BEATRICE: Doch kaum hast du träumend ja gesagt, umschlingen dich
gratis und ungefragt Familienbande,
der ganze Clan von deinem Mann.
Man heiratet auch die Verwandten mit,
GILES: kriegt gratis die Onkel und Tanten mit.
BEATRICE & GILES: Ob Ostern, ob Weihnacht, ob Herbst oder Mai,
GILES: die lieben Verwandten sind immer dabei.
BEATRICE: Dein Schwager macht manch derben Scherz.
GILES: Jedoch er hat ein goldenes Herz.
BEATRICE & GILES: Familienbande fordern oft viel
Geduld.
GILES: Ich hab nun mal einen besond'ren Humor.
BEATRICE: Das kommt leider in den besten Familien vor.
ICH: Ich wollte immer eine Schwester wie dich.
BEATRICE: Dass du jetzt da bist, ist ein grosses Glück für mich.
ICH: Auch mich.
GILES: Und mich.
ICH, BEATRICE &: GILES: Verwandte bekommt man umsonst dazu,
man küsst und umarmt sich und ist per du.
GILES: Für liebe Verwandte gilt kein Tabu.
ICH, BEATRICE & GILES: Und war'n wir bisher auch gar nicht bekannt,
jetzt bindet uns der Familienstand.
Wir sind, was auch sei,
verwandt und stets dabei! Dabei!
Alle lachen. Es wird dunkel. Verwandlung.
Werwolf Feles wird gelyncht.