Erneut der Hinweis: Der Ich-Sprecher ist von nun an König Sidas und nicht mehr der Charakter "Daro".
Seit einigen Tagen lag in der königlichen Gesellschaft für Geschichte ein Brief.
Er war an Daro addressiert. Doch der war seit der Expedition in den Untergrund verschwunden.
Gudrun stand vor seinem Schreibtisch. Was wohl mit ihm passiert sein mag?
Klar, da waren die Berichte von Lumpi gewesen, die zuletzt mit ihm dort gewesen war.
Aber, dass Daro mit einem Nekromanten durchgebrannt war, konnte Gudrun sich echt nicht vorstellen.
Aber jetzt war da dieser Brief des Königs, der auch noch mit dringend gekennzeichnet war.
Sie hatte schon ein paarmal Mascha davon abgehalten, ihn einfach zu öffnen, aber war das ein Fehler?
Gudrun bemerkte hinter sich eine Bewegung. Zu ihrer großen Freude sah sie abby hinter sich.
"Oh, du bist wieder gesund! Wie geht es Mampfred?" "Seit die Expedition wieder da ist: einwandfrei."
abby bemerkte den Brief hinter Gudrun. "Ich denke, du solltest ihn aufmachen."
"Aber..." "Es gibt Dinge, die wichtiger sind als das Briefgeheimnis. Schau mal.", sagte abby.
Sie hob eine kleine rote Wurzel oder so etwas heraus. "Was ist das?", fragte Gudrun.
"Damit kann man Tränke magenta färben.", sagte abby offenbar sehr begeistert.
Gudrun verdrehte die Augen und wandte sich wieder dem Brief zu und nahm in die Hand.
Nunja, normalerweise konnte man sich auf abbys Aussagen ganz gut verlassen.
Gudrun begann zu lesen:
"Lieber Daro,
in den letzten Wochen haben wir die Oberhand im Kampf um Medinaw gewonnen.
Die Rebellinnen mussten sich aus der Stadt zurückziehen, aber sie sind noch hier.
Wir wollen nun zur letzten entscheidenden Schlacht gegen ihre Hauptstreitmacht antreten.
Deshalb brauche ich deine Unterstützung. Das wird nicht einfach werden.
Bitte rufe unsere alten Verbündeten zusammen, damit wir sie besiegen können.
Außerdem wollte ich dir noch sagen..."
Weiter kam Gudrun nicht, denn Haben kam plötzlich herein. Er schaute irritiert auf Gudrun und den Brief.
Doch er sagte nichts oder zumindest nichts dazu. "Hast du Zeit?", fragte er stattdessen.
Gudrun packte den Brief schnell ein und sagte: "Ja natürlich. Was gibt es denn?"
"Es geht um das Erdbeben. Die Priester des Tempels der Berge haben alle Vorkehrungen getroffen.
Morgen werden zur Sicherheit die inneren beiden Ringe der Stadt evakuiert, aber normal sollte nichts passieren."
Gudrun nickte erleichtert. Ein Problem weniger. Also konnte sie sich nun anderen Dingen zuwenden.
Doch den Brief konnte sie nicht ignorieren. Sie wusste nicht genau, wer die "alten Verbündeten" waren.
Also sammelte sie einfach mal alle ein, mit denen Daro in letzter Zeit so abhing und reiste mit ihnen nach Süden.
Bei Haben versuchte sie ihn zunächst wegen seiner Krankheit zum Bleiben zu bewegen, aber er wollte mit.
Ob das gut gehen würde? Sie hatte ihre Zweifel, aber dem Kronprinzen gibt man halt keine Befehle.
So ergab sich folgende Reisetruppe:
Gudrun selbst, aktuell Prokuratorin von Deastrom und designierte Vorsitzende der königlichen Gesellschaft für Geschichte.
Laomedon, so ein Typ, der mal von Suchenden angegriffen worden war und dann dem Thronrat entscheidende Hinweise gab.
Flamel, der widerum hatte mal ein Casino in Heviar besessen. Doch das ging mit Heviar den Bach oder besser den Fluss hinunter.
Mascha, Kellnerin und Kartographin, die erst seit Kurzem wieder die Kontrolle über ihren Körper zurückerlangt hatte.
Lumpi, die Großinquisitorin, die kürzlich auch bei der Expedition in den Untergrund dabei gewesen war und Daro zuletzt gesehen hatte.
Fayks, Kommandantin bei der Armee, eine gute Freundin von Gudrun, und aus dem Adelsgeschlecht von Storrenberg.
Allerdings hatte Gudrun in letzter Zeit ein bisschen Grund zur Sorge, dass sie umfällt... und das nicht nur wegen Kupbitz.
Dann war da Leon, der eigentlich Fischer in Forwacht gewesen war und sich seitdem irgendwie über Wasser hielt.
Auch Xaver nahm sie mit, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob der wirklich mit Daro befreundet war, seit er sich nicht zu ihm getraut hatte.
Aber er war ein mächtiger Erdbändiger und hatte den Priestern sehr dabei geholfen, die Stadt vor dem Erdbeben zu schützen.
Talea, ebenfalls eine geheilte ehemalige Suchende, die seitdem das Talent gelernt hatte, mentalen Spuren zu folgen. Äußerst praktisch.
Mampfred, der hoch beliebte Wirt der Taverne "Zur Linde", der bis vor Kurzem mit Apathie im Hospital gelegen hatte.
Kurt von Selaconia, ein Hochadeliger, dem Gudrun und Daro beide nicht trauten. Aber er kommandierte nunmal die selaconischen Soldaten.
Und Fredo eine hochbegabte Schmiedin zusammen mit ihrem Lehrling Kupbitz. Schmiede konnte man im Krieg immer gebrauchen.
Sky war inzwischen Hochrichter und was man so hörte auch ein extrem mächtiger Feuerbändiger, der einen Dämonen vertrieben hatte.
Die Gruppe wurde noch ergänzt durch Kronprinz Haben, den Neffen des Königs, der erst vor Kurzem wieder in Erscheinung getreten war.
Die Reise ging durch das Wachtelgebirgen und war nicht ganz unbeschwerlich, da der Weg nicht ganz einfach war.
Außerdem war das Gebiet teilweise schon im Einflussbereich der Rebellen und auch Werwölfe waren hier aktiv.
Doch die Gruppe war groß genug und Gudrun hatte alles gut genug organisiert, damit sie alle sicher an ihr Ziel kamen.
Schließlich kamen sie also in Medinaw an. Gudrun hatte es bereits erwartet, aber die Stadt sah nicht gut aus.
Es war eine der ältesten und bis vor kurzem auch schönsten Städte des Reiches gewesen mit prächtigen Stadtmauern und einer Burg.
Die Burg stand zwar noch, aber sie war innen ausgebrannt und die Mauern teilweise eingerissen worden.
In dieser Burg saß ich, Sidas, und plante unser weiteres Vorgehen. Wir hatten eine gute Ausgangslage.
Neben Gudrun und den Gefährten aus dem Norden hatte ich noch weitere Verbündete, überwiegend aus dem Südwesten, hergeholt:
Da war etwa Samaraner, ein Drachenreiter, über den ich schon viel gehörte hatte. Trotzdem hatte ich ihn mir ganz anders vorgestellt.
Jewel war ein begnadete Diamanten- und Juwelenbändigerin. Kannte niemanden, der Erdbändigung so elegant beherrschte.
Doch ihre Angriffe waren extrem und gefährlich und äußerst treffsicher. Von ihnen wollte niemand getroffen werden.
Skylark war ein Gestaltwandler und sowohl taktisch brillant als auch rhetorisch eine große Bereicherung für unsere Seite.
Eadric war ein hervorragender Jäger, den wir oft brauchten, um Wölfe von Werwölfen zu unterscheiden.
Sein Umgang mit Tieren war beeindruckend und er war mir gegenüber immer loyal gewesen, auch wenn er nicht viel sprach.
Stoffel war eine erfahrenene Soldatin und der Generalin meiner Armee. Ich konnte mich blind auf sie verlassen.
Und dann war da noch Raphii, ein Luftbändiger, der im äußersten Südosten gelebt hatte und dessen Heimat längst erobert war.
Voller Freude begrüßte ich Gudrun und ihre Begleiter und dankte ihr für ihre gute Arbeit in Deastrom.
Doch gleichzeitig war ich verwundert: Wo steckte Daro? Warum hatte er sich der Gruppe nicht angeschlossen?
Normal ließ er sich keine Gelegenheit entgehen, am Geschehen beteiligt zu sein. Und natürlich wollte ich ihn auch wiedersehen.
Doch Gudrun schien nicht viel mehr darüber zu wissen als ich. Da war also gerade wenig zu machen.
Immerhin schien er bis vor Kurzem noch wohlauf gewesen zu sein. Das war in diesen Zeiten schon einiges.
Den meisten der Neuankömmlinge wurde gezeigt, wo sie schlafen konnten. Morgen sollte es losgehen.
Gudrun, Sky, Fayks, Kurt und Lumpi wurden zum Kriegsrat mit dazugeholt. Sie waren wichtige Personen unseres Reiches.
Die militärische Planung war soweit abgeschlossen und der Plan war gut. Die Rebellen waren auch zu schwach aktuell.
Ich bin sehr optimistisch, dass wir die Entscheidungsschlacht gewinnen können und das Rebellenproblem lösen.
Morgen würden wir zu den gewählten Positionen im Osten der Stadt aufbrechen. Es sollte ein bewaldete Schlucht werden.