Ich klopfte an der Tür eines Zimmers im fünften Stock des Hospitals. Die Antwort verstand ich durch die Tür nicht.
Doch ich interpretierte sie mal zu meinen Gunsten als "Herein!" und öffnete die Tür.
Diese Station gehörte zum Traumazentrum. Sie war aber direkt angrenzend an die Station für übernatürliche Phänomene.
In den Betten vor mir lagen Mampfred und Mascha. Neben ihnen auf einem Stuhl saß Haben. Er sah nicht gut aus.
Mascha versuchte sich aufzurichten. Es funktionierte nicht wirklich, aber besser als beim letzten Mal.
Sie hatte nach einem Sucherangriff ihr Bewusstsein verloren - oder besser: Es war von ihrem Körper getrennt worden.
Mampfred hatte einen ganz ähnlichen Angriff abbekommen und litt seidem an etwas, was man am ehesten mit Amnesie beschreiben kann.
Er schien mich wiederzuerkennen, aber ich glaube nicht, dass er zuordnen konnte, wer ich war.
Haben widerum war mit irgendeiner Art nekrotischem Gift verletzt worden. Er sah schrecklich aus.
Seit dem Angriff breitete sich über seinen Körper eine Art schwarzes Spinnennetzmuster aus. Er wurde immer schwächer.
Er brauchte dementsprechend dringend Heilung. Doch bislang hatte noch niemand herausgefunden, wie das gehen sollte.
Ich fand es schon beeindruckend, dass er überhaupt hier war. "Wer ist das?", fragte ihn Mampfred.
"Das ist Daro.", sagte Haben mit geduldigem Unterton. "Er holt Mascha für seine Mission ab."
"Welche Mission?" "Mascha hat doch ihr Bewusstsein durch die Suchenden verloren. Nun wollen sie es wiederfinden."
Nunja, das stimmte nur so halb. Tatsächlich befand sich Deastrom seit dem Angriff auf den Thronrat in einem schlimmen Zustand.
In der ganzen Stadt wurden zunehmend Angriffe von Suchenden und Untoten berichtet.
Der König war immer noch abwesend. Haben war zu krank, um ihn zu vertreten. Also hatte er Gudrun zur Prokuratorin gemacht.
Doch die musst sich allerlei Machtkämpfen im obersten Zirkel dieser dekadenten Oligarchie stellen.
Wir hatten alle Experten für Nekromantie zusammengeholt, die wir auf die Schnelle finden konnten.
Das waren nicht sonderlich viele. Sky, der die Geschichte der Illuminati erforscht hatte.
LB123 hatte offensichtlich ein Talent für Schattenbändigung. Das würde uns sicher sehr nützlich sein.
Und dann war da noch abby, die die einzige mir bekannte Expertin für paranormale Dinge ist.
Wir mussten nun in den Untergrund und herausfinden, was genau dort abgeht.
Talea hatte man einem Spezialisten übergeben. Er hatte wahre Wunder bewirkt.
Ich war heilfroh, dass wir sie nicht hingerichtet hatten. Sie würde nun sehr hilfreich werden.
Sie hatte wieder Kontrolle über sich und meinte, dass sie vielleicht einen Weg gefunden hätte.
Und zwar einen Weg, wie sie die Verbindung zwischen Mascha und ihrem Bewusstsein aufspüren konnte.
Irgendwie konnte sie wohl Maschas Gedankenverbindung nachvollziehen. Ein bisschen gruselig.
Aber unsere einzige Möglichkeit. Daher musste ich Mascha auch hier mitnehmen, obwohl sie noch nicht bereit dazu war.
Doch sie war fest entschlossen, was ich in ihrer Situation gut nachvollziehen konnte.
Anfangs hatten Gudrun und ich überlegt mit einer großen Gruppe von Soldat*innen in die Tiefen hinabzugehen.
Aber Sky und abby hatten uns davon abgeraten. Jeweils mit unterschiedlichen Gründen.
Sky argumentierte historisch und meinte, dass vergleichbare Vorgehensweisen in der Vergangenheit zu Schattenarmeen geführt habe.
abby hingegen meinte, dass Gedankenkontrolle schwieriger wird, je unkonventioneller die angegriffene Person denkt.
Und viele der Soldat*innen denken einfach zu primitiv, auch wenn das jetzt vielleicht ein bisschen komisch klingen mag.
Also gab mir abby den Auftrag, dass ich die unkonventionellsten Menschen rekrutieren sollte, die mir so einfielen. Und nicht zu viele.
Nun, also fragte ich Kupbitz, Xaver und Kurt, ob sie vielleicht auf die Mission kommen wollten.
Kupbitz hatte ein gewisses Talent sich in andere Menschen hineinzuversetzten und das dann gegen die Betroffenen zu verwenden.
Zu meinem gewissen Erstaunen schien er sogar Ortskenntnisse zu besitzen. Sicher praktisch, aber woher nur?
Xaver einfach wegen seiner Ausstrahlung. Wann immer ich ihn traf, bekam ich kein Wort heraus.
Ich hatte mich tatsächlich nicht selbst getraut, ihn zu fragen. Also musste ich Gudrun losschicken. Die hält mich jetzt sicher für verrückt.
Und auch Kurt ist mir ein sehr großes Rätsel. Obwohl er offensichtlich die Rebell*innen unterstützt hat, hat ihn der König in den Thronrat geschickt.
Ich traue Kurt keinen Meter weit, aber ich vertraue dem König und er schrieb eigens ein Brief, das ich ihn mitnehmen solle.
Das alles war mir ein Rätsel, aber unbestreitbar hatte er auch einige Talente, die an so einem Ort nützlich sein könnten. Schleichen zum Beispiel.
Ich verabschiedete mich von Haben und Mampfred und wir verließen das Zimmer. Draußen wartete bereits Talea.
Zusammen sind wir zu dem Brunnen vor der Universität gegangen, der als Treffpunkt mit den anderen vereinbart war.
Dann gingen wir schließlich weiter und folgten Talea in die Richtung, die sie uns nun anzeigte.
So liefen wir gut eine dreiviertel Stunde durch die Stadt, bis wir an einem Ort ankamen, wo wohl niemand von uns hinwollte.
Unser Weg hatte uns direkt in die Inquisition geführt. Der Großteil der Gruppe war gar nicht begeistert.
Doch wir mussten dadurch. Also gingen wir weiter und kamen in einen Teil des Gebäudes, der richtig schlimm war.
"Hey, ihr da!", rief eine Stimme. Ich erkannte Lumpi. "Was zur Hölle macht ihr hier?" Nun, wie sollte man das nur erklären?
Es dauerte lange... wirklich lange, bis wir Lumpi schließlich davon überzeugen konnten, dass wir da jetzt durchmussten.
Also ging es in den Keller. Wir kamen in eine Art Gruft. Es roch widerlich. Es war widerlich.
Wir befanden uns an einer Art unterirdischen Fluss, der an dieser Stelle aus dem Gestein trat.
Es war sicher nicht die Lenne, aber es war auch kein kleiner Fluss. Mir war das ein Rätsel.
Wieso gab es hier einen Fluss? Und was genau machte die Inquisition hier?
In diesem Raum war eine Vielzahl von Leichen gestapelt. Überwiegend Menschen, aber auch andere Ethnien, etwa ein Elf.
LB beugte sich zu mir und flüsterte mir zu: "Sie warten bis die Flut stärker wird. Dann werden die Leichen weggespült."
Ich fragte mich, woher er das wusste, aber er war auch aus Keratin, wo solche Praktiken mich wenig überrascht hätten.
Jetzt gerade stand der Fluss aber sehr niedrig, sodass wir an seinen Seiten entlang laufen konnten und sogar trocken blieben.
Sichtlich nervös lief uns Lumpi hinterher... Ich werde ein ernsthaftes Wort mit dem König reden müssen, wenn er wieder da ist.