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Szene 2a Hotelterrasse.
Am nächsten Morgen. Die reguläre Frühstückszeit ist schon vorüber. Die Gäste sitzen unter einer Markise auf der sonnenbeschienenen Hotelterrasse an Bistrotischen, genießen die Aussicht und tauschen den neuesten Klatsch aus. An einem der Tische, ganz vorn an der Rampe, sitzt Maxim und liest eine englische Zeitung.
GAST 1: Ist das nicht ...
GÄSTE: Bitte wo?
GAST 1: Max de Winter. An dem Tisch da vorn.
GAST 2: De Winter?
GAST 3: Stimmt.
GAST 1: In der Tat.
GAST 4: Zweifellos.
GÄSTE: Bitte wer?
GAST 5: Stinkreicher Adelsspross. Er lebt in einem Schloss.
GAST 3: Manderley.
GAST 1: Armer Kerl.
GÄSTE: Bitte wie?
GAST 3: Es ist tragisch.
GAST 6: Ja, ich las davon.
GAST 4: Er kam im Rolls Royce wie letztes Jahr.
GAST 3: Wirklich schlimm.
GÄSTE: Bitte was?
GAST 2: Wovon reden Sie?
GAST 3: Es stand in jeder Zeitung.
Gäste: Was?
GAST 1: Er verlor unerwartet seine Frau
GÄSTE 1 BIS 6: Rebecca.
GÄSTE 1, 4, 5: Welch ein Schlag!
GÄSTE 1 BIS 6: Jeder sah, der Mann vergötterte Rebecca.
Maxim lässt die Zeitung sinken. Die Gäste verstummen. "Ich" tritt auf. Der Oberkellner führt sie zu dem freien Tisch neben dem Tisch von Maxim de Winter.
OBERKELLNER: Wie geht es Mrs. Van Hopper?
ICH: Sie hat Halsschmerzen. Die übliche Grippe, denke ich.
OBERKELLNER: Bitte sehr, Mademoiselle.
"Ich " ist im Begriff sich hinzusetzen, als sie Maxim am Nebentisch entdeckt. Sie dreht sich abrupt um und schüttet dabei ungeschickterweise die kleine Blumenvase um, die auf dem Tisch steht. Erschrocken stellt sie die Vase wieder auf und wischt mit ihrer Serviette das Wasser weg. Sowohl der Oberkellner als auch Maxim haben das Missgeschick beobachtet. Ein Hilfskellner kommt gelaufen. Maxim winkt den Oberkellner herbei...
MAXIM: Lassen Sie das, und legen Sie hier noch ein Gedeck auf. Mademoiselle wird mit mir frühstücken.
ICH: Nein, nein. Das geht doch nicht.
MAXIM: Wollen Sie vor einem nassen Tischtuch sitzen?
ICH: ES macht mir nichts aus. Wirklich nicht.
MAXIM: Dummes Zeug. Kommen Sie. Ich wollte Sie ohnehin bitten, sich zu mir zu setzen.
ICH: Das ist... sehr freundlich von Ihnen.
Sie nimmt an seinem Tisch Platz. Verlegenes Schweigen. Ein Kellner serviert Kaffee und Croissants.
MAXIM: Sie müssen mir verzeihen. Ich war ziemlich unhöflich gestern Abend.
ICH: Das fand ich nicht. Mir schien eher, dass Mrs. Van Hopper ...
MAXIM: Ihre Freundin?
ICH: Ich bin angestellt bei ihr. Als Gesellschafterin. Dafür zahlt sie mir neunzig Pfund im Jahr.
MAXIM: Ich wusste nicht, dass man Gesellschaft kaufen kann.
ICH: Was soll ich tun? Ich brauche das Geld.
MAXIM: Haben Sie denn keine Verwandten?
ICH: Nein. Sie sind alle gestorben.
MAXIM: Waren Sie hier schon mal in den Bergen? Man hat von dort eine fantastische Aussicht.
ICH: Nein. Mrs. Van Hopper geht keinen Schritt aus dem Hotel. Maxim steht auf.
MAXIM: Dann vergessen wir doch das hier. Wir können ja irgendwo einkehren.
ICH: Ja, aber ich kann doch nicht einfach ...
MAXIM: Ach, was! Holen Sie sich was zum Überziehen. Ich lasse inzwischen den Wagen vorfahren.
Maxim und "Ich" gehen in verschiedene Richtungen ab. Die Gäste stecken die Köpfe zusammen.
GAST 2: Kann das sein?
GÄSTE: Geht das an?
GAST 2: Ist er freundlich oder flirtet er?
GAST 1: Das ist doch nicht sein Niveau.
GAST 6: Vielleicht doch.
GÄSTE: Interessant.
GAST 4: Hab ich richtig gehört?
GAST 3: Er macht heut einen Ausflug mit ihr.
GAST 5: Warum nicht?
GÄSTE: Allerhand!
GAST 2: Kaum zu glauben.
GAST 1: Ist der Mann denn blind? Sie ist noch ein Kind.
GAST 2: Ein Domestik.
GAST 5: Er sucht Trost.
GÄSTE: Degoutant!
GAST 6: Es gehört sich nicht.
GAST 3: Ich glaub nicht, dass er etwas von ihr will.
ALLE: Er verlor doch erst kürzlich seine Frau
Rebecca.
Welch ein Schlag! Es ist klar,
dass er noch trauert um Rebecca.
Die Gäste erstarren und werden zur Silhouette. An anderer Stelle der Bühne fällt das Licht auf eine vignette-artige Szene mit Maxim und "Ich ".
Szene 2b Klippe.
Beide stehen am Rand einer Klippe hoch über dem Meer. Maxim blickt wie gebannt in den Abgrund. "Ich " geniesst den Moment, bis sie bemerkt, dass der Mann neben ihr wie hypnotisiert angezogen zu sein scheint von der Gefahr des Absturzes.
ICH: Wirklich, die Aussicht ist atemberaubend. Der Sonnenglanz, das blaue Meer.
Die weissen Punkte dort — Segel im Wind! Möwen tief unter mir.
Mr. de Winter? Was ist mit Ihnen? Der Wind ist kalt. Ich warte im Wagen auf Sie.
Als sie gehen will, erwacht Maxim aus seiner Erstarrung. Er hält sie zurück, zieht sein Jackett aus und legt es ihr über die Schultern.
MAXIM: Verzeihn Sie mir. Eine dunkle Erinnerung...
ICH: Sie sind sehr unglücklich, Mr. de Winter.
Er blickt ihr in die Augen und streicht ihr sanft übers Haar.
MAXIM: Nennen Sie mich Maxim. So nennen mich alle meine Freunde.
GÄSTE: Er verlor unerwartet seine Frau Rebecca.
Welch ein Schlag! Jeder sah:
Der Mann vergötterte Rebecca.
In einer weiteren Vignette sitzt "Ich " mit einem Zeichenblock auf einem Felsen. Sie skizziert ein Bauernhaus. Maxim sieht ihr über die Schulter.
MAXIM: Sie zeichnen wirklich gut. Sie haben Talent.
ICH: Das habe ich von meinem Vater.
MAXIM: Er war Künstler?
ICH: O ja. Maler. Seiner Zeit weit voraus.
MAXIM: Er fehlt Ihnen wohl sehr?
ICH: Mein Vater war ein wunderbarer Mensch.
MAXIM: Mir scheint, wir beide haben etwas gemeinsam, Sie und ich. Wir stehen beide allein in der Welt.
ICH: Da. Das Bild ist fertig
MAXIM: Für mich?
ICH: Als kleines Dankeschön. Für jede Stunde mit Ihnen. Durch Sie hab ich erfahren wie schön ein Augenblick sein kann. Ich möchte die Tage aufbewahren, verschliessen in einem Flakon. Wie ein kostbares Parfüm ...
Er küsst sie. Die Szene verschwindet. In einem Lichtspot steht Mrs. Van Hopper vor "Ich".
MRS. VAN HOPPER: Wir reisen morgen ab. Ich muss wieder nach New York. Das alte Europa macht mich krank.
ICH: Schon morgen?
MRS. VAN HOPPER: Ich werd' nicht schlau aus dir, Kind. Ich dachte, du machst dir nichts aus Monte Carlo.
ICH: Ich hab mich dran gewöhnt.
MRS. VAN HOPPER: Worauf wartest du? Fang an zu packen. Mrs. Van Hopper geht ab.
Szene 3a Mrs. Van Hoppers Suite.
Im Vorzimmer der Suite stapeln sich die gepackten Koffer und Reisetaschen. Alles ist fertig zur Abreise. "Ich " blickt nervös auf die Uhr, nimmt zum wiederholten Mal den Hörer des Telefons ab und wählt.
ICH: Hallo ... Rezeption? Verbinden Sie mich mit Mr. de Winters Zimmer. (Pause) Sind Sie sicher ? (Pause) Nein, danke. Merci beaucoup, Monsieur.
Sie hängt auf.
Lieber Gott! Ich möchte ihn noch einmal sehen. Sie kämpft mit den Tränen. Nein, ich weine nicht.
Statt mich selber zu bedauern, möchte ich dankbar sein
für das, was war. Mir bleibt ja die Erinnerung ...
Etwa an den Tag über der Küste.
Du sahst wie gebannt hinab aufs Meer.
Weil mir kalt und schwindlig war, wollte ich zurück zum Wagen gehn. Da hielt deine Hand mich fest.
Du hast mich angesehn
und sanft mein Haar berührt.
Ich wünsch mir, ich würde wissen, wie Erinnerung lebendig bleibt, wie man den Augenblick,
in dem das Schweigen sang, vor dem Vergehn bewahrt.
Ich wollte, ich wüsst',
wie man Zeit in eine Flasche füllt.
Dann müsst' ich sie nur öffnen, und schon war alles wieder so wie es war.
Ich sah ins Blau
mit dem Fahrtwind in den Haaren und hab mir ausgemalt,
wie schön es war, könnt' ich dir geben, was dir fehlt ...
Und du hast wohl geahnt, woran ich denke.
Du hast gesagt:
"Ich mag dich wie du bist." Barfuss gingen wir am Strand,
Sonnenstrahlen tanzten auf dem Meer, und du hast mich angesehn,
als ob du Hilfe brauchst. Dann hast du mich geküsst.
Ich wünsch mir, ich würde wissen,
wie man festhält, was nicht greifbar ist - den Zauber eines Blicks,
die Wahrheit eines Traums, das Wunder des Verstehns. Denn würde ich wissen,
wie man Glück in eine Flasche füllt,
müsst ich sie nur öffnen, und schon war jeder Moment wieder wahr.
Mir war ja von Anfang klar, dass es nicht dauern kann.
Und doch gibt es nichts zu bereuen. Jedes Bild, jedes Wort lebt in mir fort.
Maxim tritt auf. Sie bemerkt nicht, dass er ins Zimmer getreten ist. An der Tür stehend hört er ihr zu.
Ich wünsch mir, ich würde wissen, wie Erinnerung lebendig bleibt, wie man den Augenblick,
in dem die Sehnsucht starb, vor dem Vergehn bewahrt. Und dass ich dich verlier, fiele mir
nicht ganz so schwer, bliebe mir
die Zeit in einer Flasche. Die Zeit, die ich hatte mit dir.
MAXIM: Lass die Flasche lieber zu, manchmal steckt ein Dämon drin.
ICH: Oh, Maxim. Wie gut, dich noch einmal zu sehen.
MAXIM: Was soll das denn heißen?
ICH: Mrs. Van Hopper will abreisen. Wir fahren nach New York.
MAXIM: Und du begleitest sie?
ICH: Ich muss. Du weißt ja, ich bin ihre Angestellte. Ich kann es mir nicht leisten, wählerisch zu sein.
MAXIM: Na gut, Mrs. Van Hopper will also wieder heim. Ich auch. Sie fährt nach New York, und ich nach Manderley. Wo möchtest du hin? Du kannst wählen.
ICH: Bitte, Maxim! Lass die Scherze. Mach es mir nicht noch schwerer.
MAXIM: Vor dem Frühstück mache ich nie Scherze. Entscheide dich. New York oder Manderley.
ICH: Soll das heißen, du bietest mir eine Stellung an ... als Sekretärin oder so?
MAXIM: Nein, kleiner Dummkopf. Ich frag dich, ob du mich heiraten willst.
ICH: DU fragst ... was?
MAXIM: Ich will, dass du meine Frau wirst. Was hältst du davon?
ICH: Ich ... Ich weiß nicht. Ich gehör doch nicht in deine Welt.
MAXIM: Also nein. Und ich dachte, du liebst mich.
ICH: Aber das tu ich ja. Ich liebe dich. Mehr als alles auf der Welt. Sie wirft sich in Maxims Arme. Er küsst sie.
MAXIM: Manderley wird dir gefallen. Mrs. Van Hopper tritt auf; sie ist reisefertig.
MRS. VAN HOPPER: Bist du soweit? Wir müssen noch die ... Sie sieht Maxim.
Ooooh, Mr. de Winter! Was für eine unerwartete Freude! Sie wollen mir Adieu sagen? Wie nett von Ihnen.
MAXIM: Mhm ... um ehrlich zu sein, wollte ich Ihnen nur mitteilen ... Ihre Gesellschafterin wird Sie nicht nach New York begleiten können.
MRS. VAN HOPPER: Wieso das?
MAXIM: Wir heiraten.
MRS VAN HOPPER: Wie bitte ... ?
MAXIM: Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, Mrs. Van Hopper. Grüßen Sie New York von uns. Ich lasse inzwischen dein Gepäck auf meine Suite bringen.
Bevor sich Mrs. Van Hopper von dem Schock erholen kann, geht Maxim ab. Mrs. Van Hopper atmet tief ein und mustert "Ich " mit einem prüfenden Blick.
MRS. VAN HOPPER: Offenbar hab ich dich unterschätzt. Weiß Gott, stille Wasser sind tief. Tennisstunden, das ich nicht lache! Du hast mich hintergangen.
ICH: Dass Sie das denken, Mrs. Van Hopper, tut mir leid.
MRS. VAN HOPPER: DU solltest dir selbst leid tun. Was glaubst du denn, was dich dazu befähigt, Herrin von Manderley zu werden?
ICH: Ich liebe ihn.
MRS. VAN HOPPER: Rebecca de Winter war eine Dame von Welt. Von ihren Gesellschaften sprach ganz England.
ICH: Ich werde ihn nicht enttäuschen.
MRS. VAN HOPPER: Mach dich nicht lächerlich! Lady de Winter, ha!
Mit einem abschätzigen Lächeln verabschiedet sich Mrs. Van Hopper, dreht sich um und geht ab, während an anderer Stelle Maxim erscheint. Er hält ein Hochzeitsbukett in der Hand.
Szene 3b Italien.
Instrumentalmusik. Maxim wirft "Ich" den Strauß zu. Sie fängt ihn auf. Provencalische Landbewohner. Tanz. Ein Standesbeamter traut die beiden. Kinder streuen Rosenblätter. Szenen einer unbeschwerten Hochzeitsreise. Lachen, Umarmungen, Küsse. Ein Gondoliere verbeugt sich und führt die beiden von der Bühne, während sich die Szene verwandelt.
Akira wird HD.